Bürgerinitiative Pro Tempo 50 – Gegen Tempo 30

Bürgerinitiative pro Tempo 50 (und gegen Tempo 30)

Ach, Joukov!

Am 12.11.2015 schrieb die Südwestpresse einen Artikel, in dem sie über eine Mitteilung des Herrn Joukov (Ulmer Stadtrat der GRÜNEN) berichtete. Darin heißt es:

Aus Sicht des für Wiblingen zuständigen Stadtrats der Grünen, Michael Joukov, verzögert die Petition für die Rückkehr zu Tempo 50 in den Ortsdurchfahrten die Entscheidung des Petitionsausschusses.

Dort liegen bereits Petitionen für den Beibehalt von Tempo 30 vor, nachdem das Regierungspräsidium dieses neue städtische Tempolimit für unzulässig hält. Joukov: “Dem Ziel der Tempo-50-Befürworter, eine schnelle Entscheidung in der Sache zu haben, kommen sie so gewiss nicht näher.”

Freu’ Dich doch!

Mit Verlaub, aber das finde ich jetzt ein wenig schizophren, denn gerade die Tempo-50-Gegner, allen voran die SPD und gerade auch die GRÜNEN, waren es ja, die mit ihrer Petition den Abbau der rechtswidrigen Tempo-30-Schilder verzögern wollten (siehe hier), also durch einen, wie wir finden, Mißbrauch des Petitionsrechts, eine rechtswidrige Lage beibehalten wollten. Insofern müsste Herr Joukov doch stillschweigend sich freuen, dass unsere Petition anscheinend dieses Ziel der Tempo-50-Gegner noch unterstützt.

Der Faktencheck

Aber nun schauen wir uns mal an, was hinter seiner Behauptung an Fakten steckt, zumal Herr Joukov und seine GRÜNEN bereits in der Vergangenheit zum Thema Tempo 30 in Wiblingen durch Falschbehauptungen glänzten, wie z. B. deren falsche Darstellung der Rolle der IHK, die sie korrigieren mussten (siehe hier).

Bei näherer Betrachtung der Fakten ist seine Aussage einfach haltlos. Die Petition der Tempo-50-Gegner wurde (frühestens) am 29.5.2015 eingereicht, denn das war der Termin der Bürgerversammlung. Aber laut SWP-Artikel wurden die ersten Unterschriften sogar erst später, und dann zudem erst nach Rechtskraft des Bescheids, eingereicht:

Ein[en] ersten Schwung will Rivoir gleich nächste Woche in Stuttgart abgeben, damit die Frist beginnt.

Unsere Petition für Tempo 50 läuft seit 12.07.2015, wurde also nicht einmal eineinhalb Monate später eingereicht. Darin verweisen wir ausdrücklich auf die Petition der Tempo-50-Gegner, und machen damit eine Behandlung beider Petitionen in einem Abwasch möglich – mehr Effizienz geht nicht. Ferner baten wir um schnellen Abbau der Schilder und Aussetzung des Stillhalteabkommens, haben also alles uns im Rahmen des Petitionsrechts mögliche getan, damit die rechtswidrigen Schilder so schnell wie möglich verschwinden – der Rest kann von uns aus in aller Ruhe behandelt werden. Dass aber auch die rechtswidrigen Schilder noch stehen, hat mit unserer Petition rein gar nichts zu tun. Da das Stillhalteabkommen für Kommunen nicht bindend ist, liegt es an der Stadt Ulm, dieses dort nicht anzuwenden. Da sind wir dann auch wieder bei den Stadträten, wie Herrn Joukov. Wer also verzögert hier objektiv überhaupt etwas?

Dass unsere Petition keine Verzögerung bedeutet, sieht man auch in Eggingen/Ermingen. Bereits ohne unsere Petition war dort auch nach acht Monaten noch keine Entscheidung gefallen. Dagegen sind die paar Monate, die das Verfahren in Wiblingen anhängig ist, ein Witz.

Wäre eine Verzögerung es wert, sie zu riskieren?

Das Ziel von uns Tempo-50-Befürwortern ist eine dem geltenden Recht entsprechende Regelung herbeizuführen. Dazu war es notwendig, die Sachlage gegenüber dem Petitionsausschuss auch aus Sicht der Pendler und Gewerbetreibenden darzustellen, und v.a. die teilweise haarsträubend falschen Behauptungen der Tempo-50-Gegner zu entkräften. Selbst wenn das überhaupt zu einer Verzögerung führen sollte, was wir bezweifeln, aber auch vor Einbringen unserer Petition intern diskutierten und abwogen, wäre es das wert. Lieber komplett Tempo 50, dafür eineinhalb Monate später, als ein fauler Kompromiss mit einem sinnlosen Reststück von T30.

Hat Joukov ein Demokratiedefizit?

Ich – und das ist nur meine persönliche Sicht – gewinne folgenden Eindruck: Herr Joukov mag anscheinend zwar gerne selbst überall mitreden, aber andere dafür kritisieren (dazu auch unten mehr). Ist das nicht anti-demokratisch? Demokratische Entscheidungen basieren auf Konsens und Abwägung aller Argumente, nicht nur einseitig vorgebrachter Behauptungen. Vor allem ist seine öffentliche Bemerkung sinnlos, wenn es ihm nicht nur um eigene Interessen geht: Beide Petitionen sind bereits eingereicht und damit ist das Kind schon im Brunnen. Ein – selbst wäre es gut gemeint – Hinweis, Ratschlag oder eine Besserwisserei eines Herrn Joukov zum heutigen Zeitpunkt ändert daran also nichts. Insofern liegt die Vermutung nahe, dass es ihm hier nur um eigene Ziele geht, entweder eine Diffamierung von uns, das Abhalten weiterer Unterzeichner für unsere Petition (was keinen Unterschied macht, da das Verfahren eh schon läuft – unterzeichnen Sie also ruhig munter weiter) oder ggf. auch nur reine Selbstdarstellung, um endlich mal wieder in die Medien zu kommen, oder gar Wahlkampfunterstützung für die GRÜNE OB-Kandidatin? Was immer dahinter steckt, diese Bemerkung, noch dazu öffentlich gemacht, war wohl sachlich völlig überflüssig.

Über Mehrheiten und wie man sie berechnet

Seine Position zur Beurteilung, wer hier in der Mehrheit ist, ist auch eine eher schwache. Unsere Unterschriften sind nicht die Basis unserer Einschätzung, wie er annimmt und das als “vermessen” kritiert, denn dass wir davon ausgehen, die Mehrheit zu repräsentieren, hatten wir quasi vom ersten Tag an publiziert, ohne eine einzige bis dahin gesammelte Unterschrift. Nachweis: Siehe unser Beitrag “Analyse der Petition der SPD” vom 10.06.2015, also bereits vor unserer ersten Petition und erst Recht vor unserem Ortstermin mit Herrn Hillebrand.

Wir gehen davon aus, die Mehrheit zu repräsentieren, weil sich das aus dem Verhältnis der Kraftfahrer zu den betroffenen Anwohnern ergibt. Wenn etwa 10.000 Kraftfahrer täglich am zügigen Fortkommen interessiert sind und ein paar hundert Anwohner dagegen sind (großzügige Annahme 1.000 entlang der betroffenen Strecke, dann überschätzen wir sicher), ergibt sich das Mehrheitsverhältnis schon aus simpler Mathematik: 10.000 > 1.000. Da können sogar ein Haufen der Kraftfahrer für Tempo 30 sein (was sicher nicht der Fall ist), und trotzdem wäre die Mehrheit noch für Tempo 50. Erst wenn mehr als 45 % der Kraftfahrer selbst für T30 wäre, wären die T50-Gegner in der Mehrheit (Mathenachhilfe für GRÜNE: Für T50 wären dann 10.000 * (1-0,45) = 5.500, gegen T50 dann 10.000 * 0,45 + 1.000 = 5.500). Soviel zu Joukovs Aussage:

 Joukov nennt es in einer Mitteilung “vermessen”, wenn sich die Tempo-50-Befürworter mit 750 Unterschriften als Mehrheit betrachten.

Mit ein wenig Recherche und Nachlesen wäre Herr Joukov gut beraten gewesen, bevor er in Unkenntnis der Fakten wieder einmal nur auf Annahmen basierende Aussagen macht, noch dazu öffentliche! Da er jetzt wiederholt zum T30-Streit öffentlich objektiv Falsches von sich gibt, antworte ich jetzt auch öffentlich.

Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn

Allein seine Einschätzung zu Tempo 40 ist korrekt:

Er hält auch den “Kuhhandel” mit dem Tempo-40-Vorschlag der IHK für zweifelhaft: Wenn Tempo 40 rechtmäßig sei, gelte dies auch für Tempo 30.

Da T30 auf großen Abschnitten rechtswidrig ist, wäre es T40 dort in der Tat auch, wie auch eine Petition aus dem Jahr 2000 bereits ergab [1]! Die T50-Gegner wiederholen damit sogar ganz dreist eine bereits entschiedene, mildere Petition, ganz nach dem Motto “wählen lassen, bis das Ergebnis passt”.

Wunschdenken statt “sag’ die Wahrheit” für die Anwohner

Joukov weiter:

Es werde aber Zeit, den Kommunen mehr Spielraum zu geben. Die Querspange werde Wiblingen ohnehin von einem Durchfahrts- zum Wohnort machen.

Selbst seine Privatmeinung zur Querspange ist aus unserer Sicht haltlos. Die Querspange saugt ein wenig vom Verkehr ab, der bei der Gögglinger Straße Richtung Donautal abbiegt. Das ist aber nur ein Bruchteil des im Süden ein- und ausfließenden Verkehrs. Der Hauptteil des aus den Holzstockgemeinden fließenden Verkehrs fährt über den Pranger durch Wiblingen Richtung Ulm und Neu-Ulm. An der Klassifizierung als Landesstraße wird sich demnach nichts ändern können, zumindest wird Wiblingen ein Durchfahrtsort bleiben. Daher wird auch in Zukunft das Regierungspräsidium die Hoheit darüber haben und sich an T50 dort nichts ändern, es sei denn, die Herren Joukov und Rivoir erleben das, was sie ohnehin als einzig möglichen Weg dagegen kennen: Eine Änderung auf Bundesebene (“mehr Spielraum für Kommunen”, also etwas, was mehr Kleinstaaterei, mehr ideologische Entscheidungen, mehr hin-und-her, je nach Wahlergebnis, mehr Chaos und uneinheitliche Regeln bedeuten würde).

Update: Rundbrief der GRÜNEN

Im mittlerweile auch online erschienen Rundbrief vom November der GRÜNEN kann man den von Joukov geschriebenen Text im Original lesen, den die SWP zitierte. Daraus ergibt sich für mich eine noch absurdere Sicht des Herrn Joukov, denn er schreibt dort:

Es ist überdies reichlich vermessen, anhand von 750 Unterschriften in einem Stadtteil mit rund 16.000 EinwohnerInnen von einer Mehrheit zu sprechen.

Er vergleicht also 750 konkrete Unterschriften mit abstrakten 16.000 Anwohnern eines kompletten Stadtteils. Wie oben bereits dargestellt, bezog sich unsere Sicht aber auf die Mehrheitsverhältnisse vor Ort, also in den konkret betroffenen Straßen. Unsere 750 Unterschriften spielten dabei, wie erwähnt keine Rolle, sondern die 10.000 Kfz, die dort, genau dort täglich hindurch fahren.

Würden wir wie Joukov agieren, könnten wir den gesamten Verkehr durch Wiblingen zählen, und dann 50.000 Kfz im Ortsteil Wiblingen den 16.000 Anwohnern im Ortsteil gegenüberstellen.

Aber wir sind nicht so vermessen, wir betrachten ganz fair und nüchtern nur die konkrete Situation vor Ort. Damit stehen auf unserer Seite also 10.000. Aber stehen auf den Gegenseite 16.000, wie Joukov suggerieren will? Nein. Damit – so finde ich – macht er sich vollends lächerlich. Nur, weil insgesamt 16.000 Menschen im Ortsteil Wiblingen wohnen, sind diese nicht automatisch für Tempo 30 in allen Straßen Wiblingens. Das beweisen auch unsere Analysen der Petitionszeichnungen: etwa 40 % aller Mitzeichner stammen selbst aus von T30 an Durchgangsstraßen betroffenen Ortsteilen! Ist auch kein Wunder, denn die meisten haben verstanden, dass Gleichmacherei auf allen Straßen das urprüngliche Ziel der Tempo-30-Zonen in Wohngebieten konterkariert, nämlich den Verkehr aus den Wohngebieten heraus zu führen, auf Haupt- und Durchgangsstraßen zu bündeln, und so die sensiblen reinen Wohngebiete zu entlasten.

Nicht einmal alle an der Durchgangsstraße wohenden sind für T30 dort. Damit dürften die Mehrheitsverhältnisse eher unserer Einschätzung entsprechen. 10.000 Pendler gegen (großzügig angenomen) 1.000 Anwohner.

Warum sagt Joukov nicht gleich, dass es überaus vermessen sei, anhand von 750 Unterschriften in einer Stadt mit rund 120.000 Einwohnern von einer Mehrheit zu sprechen? Ach so, das wäre für Jedermann all zu offensichtlich gewesen, dass er dann unzutreffende Äpfel-Birnen-Vergleiche anstellt…

Kommen wir nun zu seiner Aussage, die für uns, die wir uns vorher intensiv mit dem Thema Petitionen auseinandersetzten, nur eine “Binsenweisheit” ist:

Außerdem sieht das geltende Straßenverkehrsrecht ohnehin keine politischen Mehrheitsentscheidungen vor, sondern nur eine Prüfung der Rechtmäßigkeit.

Ach wirklich? Dass sich ein Herr Joukov hier nicht zu schade ist, von “Rechtmäßigkeit”, bzw, einer “Prüfung der Rechtmäßigkeit” zu sprechen! Die Frage der Rechtmäßigkeit wurde bereits vom RP Tübingen geprüft und entschieden! Und danach haben wir mehrheitlich Recht!

Und: Wer hat denn als erstes angefangen, Petitionen einzureichen? Wer hat als erstes fleißig versucht, Unterschriften zu sammeln? Wozu Unterschriften sammeln und den Landtag mit Petitionen behelligen, Herr Joukov, wenn Sie erstens ja wissen, dass die  Frage der Rechtmäßigkeit bereits geklärt war? Also bewusster Mißbrauch des Petitionsrechts? Und warum sammeln die T30-Gegner, zu denen Teile der SPD und der GRÜNEN gehören, insbesondere Joukov, dann Unterschriften, wenn doch eine alleine genügt? Da hätte ja Herr Joukov alleine, ganz still und leise, eine Petition einreichen können, und gut ist’s. Oder das der SPD alleine überlassen können, die ja die Idee dazu hatte. Aber nein: Man macht eine große Bürgerversammlung (konkret: die SPD), bewirbt das groß in der Presse und ein Joukov und seine GRÜNEN springen auf diesen Zug auf und sind dann ganz vorn mit dabei, machen Werbung dafür und lassen sogar eine Beate Böhlen nach Ulm kommen, wie sie selbst schreiben:

Wir haben die GRÜNE Vorsitzende des Petitionsausschusses, Frau Bea Böhlen, nach Ulm eingeladen, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Begleitet wird sie von unserem Abgeordneten Jürgen Filius.

Diese Doppelmoral ist für mich unerträglich. Selbst das Recht aufzuhalten versuchen, Bürger aufzustacheln an einer – wie ich finde – mißbräuchlichen Petition teilzunehmen, den Landtag, das MVI, das RP Tübingen beschäftigen, und dann andere dafür kritisieren, zumal für unsere Petition eben keine separate Stellungnahme erforderlich ist, weil wir ja auf die bestehende Petition verwiesen hatten und damit alles in einem Rutsch abgehandelt werden kann.

Was für mich auch “ein G’schmäckle” hat, ist alleine der Umstand, dass die GRÜNEN nur einer Idee der SPD nacheifern und diese medial für sich ausschlachten wollen, aber in Wahrheit nur Trittbrettfahrer sind. Also: Keine eigenen Ideen, keine Übersicht der Fakten, wiederholt Falschbehauptungen, schlechte Äpfel-Birnen -Vergleiche, unangebrachte Kritik an anderen und Doppelmoral: so empfinde ich hier das Verhalten von Joukov. Pfui!

Quellen

[1] Drucksache 12 / 5341, S. 31ff., Abschnitt „30. und 31. Petitionen 11/5869 und 11/5898 betr. Verkehrsberuhigung, Beibehaltung von Tempo 40 in den Ortsdurchfahrten“, Landtag von Baden-Württemberg, 20.07.2000

Weitere Quellen als Links innerhalb des Artikels bereits direkt genannt.